Schreck in der Nacht – Cindys Leben hängt am Faden
von Rotraut Ueding
Dass die beiden Chowhündinnen, auf den jeweiligen Pflegestellen angekommen, erst mal tierärztlich versorgt werden mussten, war schon deshalb ungewöhnlich, weil sie ja über den Amtstierarzt im Tierheim untergebracht waren. Im allgemeinen schaut dort erst einmal der Tierarzt hin, der aber so sagte man uns, sei im Urlaub (?).
Chi Chi als die jüngere hatte ihre Probleme schnell im Griff. Ein wenig Durchfall, zu lange Krallen, zu wenig Muskeln und das anfängliche Misstrauen gegenüber dem neuen Zuhause war schnell überwunden. Sie macht Fortschritte und die Pflegefamilie ist hochzufrieden mit ihr.
Anders erging es da Cindy. Auch sie haben wir schnell dem Tierarzt vorgestellt, auch sie wurde behandelt. Gegen den extremen Durchfall, mit dem sie schon im Tierheim zu kämpfen hatte, gab es Medikamente. Die dann aber leider nicht so anschlugen wie erwartet. Beim zweiten Besuch des Tierarztes stellte dieser dann auch fest, dass Cindy wohl erst vor kurzem Welpen geworfen haben musste. Eine nach wie vor dicke und angespannte Bauchdecke wurde als Magen- Darmirritation diagnostiziert. Auch die im Kot gefundenen Fell- bzw. Haarreste könne man sich nicht erklären. Alles sei ok, Cindy macht sich prächtig?
Dienstag, die Lage eskaliert!
Anruf der Pflegemutter: Cindy verliert aus der Scheide grünlich/schwarzen Schleim, ab und an vermischt mit Blut.
Ich bitte, sofort den Tierarzt anzurufen, die Lage zu schildern, da muss was getan werden
Wieder Anruf der Pflegestelle: Der Tierarzt käme am nächsten Tag, aber die Symptome wären nicht besorgniserregend.
Am Abend, 21.30 Uhr: Dringender Anruf von der Pflegestelle. Cindy sei extrem unruhig, hechele, die Schleimabsonderung sei heftiger. Der Hund zeigt starke Schmerzen.
Wieder Anruf beim Tierarzt: Nein, sie käme morgen früh. So schlimm sei das alles nicht.
Mir platzt der Kragen, es reicht. Sofort rufe ich die in der Nähe gelegene Tierklinik an, melde einen Notfall, bitte um Aufnahme. Es ist nun schon 22 Uhr und man ist – verständlicherweise – von meiner Bitte nicht begeistert. Aber da ich weiß, dass die Pflegeeltern an Probleme mit Ruhe und Überlegung herangehen, weiß ich auch, dass die Beobachtungen das Schlimmste befürchten lassen. Ich nerve so lange, bis wir die Zusage haben: Cindy wird aufgenommen. Mitten in der Nacht, bei Nebel und in einer Landschaft, die aus Kurven und engen Straßen besteht, sausen die Pflegeeltern los.
Ich sitze derweil auf dem Sofa neben dem Telefon und warte auf das Ergebnis. Endlich, kurz vor Mitternacht, um 5 vor 12 Uhr kommt der Anruf. Es ist der blanke Horror: Cindy war mitten in einer Geburt. Das Röntgenbild zeigte einen riesengroßen toten Welpen, den sie in diesem Zustand schon seit ca. 3-4 Wochen mit sich herumträgt. Da dieser tote Welpe vertrocknet in der Gebärmutter liegt, hat er zu Cindys Glück kein Leichengift abgesondert, daran wäre sie schnell gestorben. Die Gebärmutter ist schon zerfetzt und löchrig. Nun muss es schnell gehen. Denn lange kann sie in diesem Zustand nicht überleben.
Und sie hat Glück, hat einen Schutzengel der besonderen Art, ist eine Kämpfernatur. Denn die schnell erfolgte schwere Notoperation hat sie – trotz Kreislaufzusammenbruch – gut überstanden. Kaum zu glauben, dass sie am nächsten Tag schon wieder wedelnd ihre Pflegeeltern begrüßte. Ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Und sie hat Glück, denn mit solchen Pflegeeltern die sie fachkundig und liebevoll umsorgen, kann ihr nichts Schlimmes mehr passieren.
Im Rückblick kann man sich nur wundern, dass so viele Fachleute, angefangen von der Vorbesitzerin (Züchterin), über das Tierheim über den Tierarzt so viele Hinweise übersehen haben. Kann man sich nur fragen, wie es sein kann, dass erst eine Tierschutzorganisation wie die unsere, die nur aus ehrenamtlichen Mitarbeitern besteht, etwas tut und Hilfe leistet. Wobei die enormen Kosten der Notoperation, die wir am Ende der Kette übernehmen müssen, ärgerlich sind. Denn wir bekommen keine Förderung von der Gemeinde, wir sind auf die Hilfe der Chowfreunde angewiesen.
Zum Schluß bleibt mir nur wieder einmal ein von Herzen kommendes „Danke“.
Ihre Rotraut Ueding
P.S. von Uli Hoffmann:
Cindy erholte sich unter den fürsorglichen Händen der Pflegefamilie zusehend. Sie gesundete physisch und psychisch und machte ihrer Pflegefamilie nur Freude. Auch der Chowie-Bube der auf der Pflegestelle zu Hause ist, hat Cindy sofort in sein Bärenherz geschlossen und die beiden waren schnell ein „Herz und eine Seele“.
Doch auch hier kam irgendwann der Zeitpunkt des Abschiedes. Als der Winter langsam seinem Ende entgegen ging, war ein neues zu Hause für die Zaubermaus gefunden. Cindy legte die Deutsche Staatsbürgerschaft ab und wohnt jetzt bei ihrer neuen Familie in der Schweiz.
Und wieder konnten wir ein Bärenherz retten. Dies alleine ist für mich die größte Belohnung, die ich mir denken kann.