Notfall im Doppelpaket
von Rotraut Ueding
Die Chow-Damen Cindy und Chi Chi lebten bei einer Züchterin, die eigentlich schon seit Jahren Tierhaltungsverbot hat. Und wer die Szene kennt, der weiß, was sich da abgespielt haben muss, ehe es zu einem solchen Verbot kommt. Die Züchterin setzte sich über dieses Verbot hinweg und noch einmal fand die engagierte Amtstierärztin Hunde in dieser Anlage. Und die waren in keinem guten Zustand. Wir von Chow in Not wurden gebeten die Tiere aufzunehmen, da die Betreuung der verstörten, abgemagerten und verwahrlosten Chowdamen im Tierheim kaum möglich war. Bedingt durch Überfüllung konnte man im Tierheim Kitzingen nicht so intensiv auf die beiden eingehen wie das nötig wäre.
Es galt die beiden schwarzen Chow-Damen Cindy (7 Jahre) und Chi Chi (5 Jahre) aus dem Tierheim in Franken abzuholen und sie auf Pflegestellen unterzubringen. Im Tierheim waren sie ja nur für wenige Tage untergekommen und die Verlegung wurde immer dringender. Nach einigen Telefongesprächen stand dann fest, die jüngere Hündin – Chi Chi - konnte in der Nähe von Gießen unterkommen, die ältere – Cindy – auf der bewährten Pflegestelle in Neustadt-Wied.
Pflegevater K. fuhr also am frühen Samstagmorgen von Gießen nach Franken, lud die beiden Chows dort in Boxen und war nach zwei Stunden wieder Zuhause. Und dies trotz extrem schlechter Sicht. Windböen klatschten den Regen auf die Scheibe, die vorausfahrenden Autos wirbelten Wasserfontänen auf und machten die Fahrt zu einem Risiko. Nein, ein Vergnügen war das nicht.
Wir starteten um die gleiche Zeit von Remagen aus und kamen fast zeitgleich in Gießen an. Dass wir bei dieser Aufteilung mehrere Stunden Fahrt gespart hatten war mehr als angenehm.
Chi Chi wurde nun mit der Box in den Garten getragen und nachdem wir noch eine Schleppleine anbringen konnten, lief sie mit gebotener Vorsicht aber durchaus neugierig herum und inspizierte ihr neues Revier. Und das hatte einiges zu bieten. Denn die Hausherren sind dort zwei bildschöne Chowrüden. Im Tierheim hatten sich die beiden Damen nicht unbedingt von der zutraulichsten Art gezeigt und wir hatten eigentlich mit Angst- und Panikreaktionen gerechnet. Aber wie so oft bei unseren Notfällen, Chi Chi hatte wohl schnell begriffen, dass sie hier mehr als gut untergebracht ist. Und als sie den beiden Rüden dann freundlich aber bestimmt zeigte, wer hier ab sofort das Sagen hat, hatten wir einige Sorgen weniger.
Schon am Abend desselben Tages kam ein Anruf, dass sich die Chi Chi schon kraulen lässt und ruhig im Wohnzimmer inmitten ihres neuen Rudels liegt. Am nächsten Tag dann legte sie sich bei der Fellpflege auf die Seite, dann auf den Rücken und demonstrierte ein Vertrauen in ihre Pflegefamilie, wie wir dies selten in so kurzer Zeit erleben. Mit allem hatten wir gerechnet, nicht aber mit einem so schnellen Erfolg bei der Integrierung. Möglich geworden ist dieser Erfolg durch das Engagement der Familie K., die sich mit Sachverstand und viel Sensibilität einsetzt und der wir an dieser Stelle herzlich danken möchten.
Wir konnten, nachdem feststand, dass in Gießen alles gut lief, mit der älteren Hündin Cindy im Gepäck zur Pflegestelle nach Neustadt-Wied weiterfahren. Auch wenn der Regen nachgelassen hatte, so war die Fahrt bei leichtem Nebel und der langsam einbrechenden Dämmerung nicht die beste.
Um 15.30 Uhr angekommen, wurden wir von Ursula und Dieter schon mit heißem Tee und Waffeln erwartet. Zum zweiten Mal heute tragen wir eine Box in den Garten. Öffnen sie und klinken die Schleppleine ein. Und das war gut so. Denn Cindy ist - weil älter - auch erheblich verstörter und ängstlicher. Sie läuft zwar auf die Wiese, aber ihre Begeisterung als sie den Haus-Chow Foxi kennenlernt hält sich in Grenzen. Ihr ist das alles zu viel. Stressbedingt hat sie dann auch noch starken Durchfall.
Da wir seit dem frühen Morgen auf den Beinen sind, wir die Hündin gut untergebracht wissen, fahren wir dann auch endlich nach Hause. Nach einem langen Tag wartet der verdiente Feierabend und die eigenen Chows auf uns.
Leider kommt dann am späten Abend ein Anruf, Cindy sei überhaupt nicht ansprechbar, flüchte in den tiefen Garten und der Versuch sie mit der Leine ins Haus zu bekommen sei gescheitert. Cindy wehrte sich verzweifelt, zeigte die Zähne, biss in die Leine. Nein, so ging es leider nicht. Was also tun?
Vor Jahren sagte mir der Chef eines großen Betriebes einmal: „Die Qualität einer Firma steht und fällt mit der Qualität der Mitarbeiter“. Und dem kann ich nur beipflichten! Vor allem aber dankbar feststellen: Unsere Mitarbeiter sind Spitze! Denn die Pflegeltern von Cindy finden immer wieder neue Lösungen für neue Probleme.
Man fuhr also das Auto aus der Garage, setzte dort eine wirklich riesengroße, warm und gut ausgepolsterte Hundebox hinein und drängte die verängstigte Hündin dorthin. Wichtig war nach einem solchen Tag vor allem, dass Cindy endlich zur Ruhe kam. Und da wäre jeder weitere Versuch sie ins Haus zu bekommen gescheitert.
Die Nacht verlief ruhig und ohne Probleme. Am nächsten Morgen dann durfte Cindy wieder den Garten erkunden. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, fütterte Ursula sie aus der Hand, und während des Fütterns kraulte sie diese ganz leise, dann kam ein Streicheln, was sich auf den ganzen Körper ausdehnte und die Hündin ließ es sich gefallen. Mutig geworden, putzte die Pflegemutter dann die verschmierten und vereiterten Augen aus, konnte ihr sogar die verkoteten Haare am Popo abschneiden. Und dies alles ohne Gegenwehr der Hündin.
Gegen Mittag dann kam Cindy wieder in die Box und wurde mitsamt dieser ins Haus getragen. Schnell hat die Chowdame begriffen, wie angenehm ein warmes Plätzchen ist, wie gut regelmässiges Futter tut, wie schön es doch ist, endlich in einem Rudel zur Ruhe zu kommen. Der absolute Höhepunkt aber kam nach 24 Stunden: Cindy habe sich ohne Murren baden lassen!
Uns bleibt wieder einmal nur ein dickes Lob und ein herzliches Danke an die beiden Pflegefamilien. Mit solchen Mitarbeitern haben wir von Chow in Not einen Glücksgriff getan.
Was die beiden Chow-Damen nun brauchen ist Zeit um sich zu erholen, ist die Möglichkeit auch mal die schönen Seiten des Hundelebens kennenzulernen. Und da sind sie auf dem besten Wege.
Auch wenn noch viel getan werden muss. Denn beide Tiere haben weder die vorgeschriebene Impfung noch einen Chip. Beide müssen erst einmal entwurmt werden, die Krallen geschnitten, müssen aufgefüttert werden, kurz, ein Gesundheitscheck steht an, bzw. ist schon erfolgt. Vor allem aber werden beide in einige Wochen kastriert werden, damit sie nie wieder als Gebärmaschinen missbraucht werden können.
Neben der Arbeit und Mühe kostet dies alles leider viel Geld. Aber wir sind sicher, die beiden Chows haben es verdient. Mir bleibt, Sie wieder einmal zu bitten, uns bei der Finanzierung zu helfen. Uns zu helfen Chi Chi und Cindy so weit zu stabilisieren, dass wir sie nach einiger Zeit in ein neues Zuhause vermitteln können.
Mein Dank gilt den ehrenamtlichen Mitarbeitern, den Pflegeeltern, den Spendern, ohne die das, was noch getan werden muss, nicht zu stemmen wäre.
Ihre Rotraut Ueding