Zwei schwarze C´s auf der Suche
Von Uli Hoffmann
Schweigend sahen wir uns an. Christiane und ich waren fassungslos. Wir konnten nicht glauben, was wir hinter den Gitterstäben in der Box im Tierheim sahen.
Das Bellen der anderen Hunde im Haus, die freudig und aufgeregt an den anderen Türen hochsprangen, weil sie auf eine schöne Gassiegehrunde hofften, hörten und sahen wir nicht.
Unsere Blicke gingen wieder zurück zu den beiden schwarzen Chow-Chow-Mädchen, die völlig verängstigt, ohne jegliche Regung oder sonstiges, auf einer Decke in dem Zwinger des Tierheimes saßen.
Vorausgehend war ein Anruf von Rotraut.
„... hat mich gestern die Amtsveterinärin angerufen. Sie hat aus einer „Chow-Chow-Zucht“ zwei schwarze Hündinnen sofort beschlagnahmt und mitnehmen müssen. Die beiden Mädchen sind vorab im Tierheim untergekommen und ….“. Ich hörte Rotraut von den Chows in Not dann nur noch mit halbem Ohr zu. Gedanklich plante ich schon, wann ich mir die beiden Mädchen anschauen kann. Zeitlich waren wir dieses Mal etwas freier, was ja nicht unbedingt bei Notfällen an der Tagesordnung ist.
Erstmal waren die beiden Mädchen gut im Tierheim untergekommen.
Rotraut kündigte mich fürs kommende Wochenende zum Besuch im Tierheim an und ich hatte Glück, dass sich meine Hundefreundin Christiane sofort bereit erklärte, mich zu begleiten.
Als wir beide dann am Sonntagvormittag im Tierheim vor dem Gitter der Hundezimmer standen, verschlug es uns den Atem.
Die beiden Chowie-Mädchen konnten nicht zusammen in einem Abteil untergebracht werden, da schlimmer Futterneid zwischen den beiden ausgebrochen war und die Ältere der Jüngeren einige Bissverletzungen zu gefügt hatte.
Nun standen wir beide Frauen vor der Türe und langsam, ganz langsam, setzte bei uns die Atmung wieder ein. Schweigend legte ich meinen Rucksack auf den Boden, keinen Blick von den völlig verängstigen Hunden lassend, und stopfte fast blind meine selber gebackenen Hundeleckereien in die Hosen- und Jackentaschen.
Ich sah Christiane an und wir öffneten die Türe zur jüngeren Hündin. Vorsichtig, ganz vorsichtig, näherten wir uns dem Mädchen. Sie saß wie versteinert auf ihrem Podest, auf dem eine dicke Wolldecke lag. Leise und flüsternd zu ihr sprechend, gingen wir langsam, Schritt für Schritt, auf sie zu. Eigentlich hätte sie vor uns die Flucht ergreifen können, da die Türe zum Außengehege unmittelbar neben ihr offen stand. Das ging jedoch nicht, da die kleine Hündin steif vor Angst, komplett in sich gekehrt, fast nicht atmend, vollkommen unbeweglich, auf ihrer Decke saß.
„Hallo Hunde-Mädchen“ flüsterte ich und streckte vorsichtig meine Hand aus, auf der fein geschnittenes Wurstomelette lag. Die einzige Bewegung die ich sah, war erst ein angsterfüllter Blick in meine Richtung und dann ein sofortiges Wegdrehen des Kopfes in die andere Richtung. Kein Weglaufen, kein Reaktion – nichts. Ich legte meine Guddies neben ihre Pfoten ab und wir verließen genauso leise und vorsichtig den Zwinger, wie wir ihn betreten hatten.
So standen wir beiden Frauen wieder vor der Zwingertüre und beobachteten schweigend das Häufchen Elend, das noch immer total versteinert da saß, den Kopf noch unverändert in derselben Haltung, wie sie ihn von mir weg gedreht hatte.
„Was haben sie nur mit dir gemacht???“ Eine Antwort werden wir nie auf diese Frage erhalten.
Wir gingen zum anderen Zwinger, in dem die ältere Hündin saß. Auch hier gingen wir genauso vor. Bepackt mit vielen Guddies gingen wir hinein. Diese Hündin ließ uns nicht so nahe an sich ran, sondern ergriff gleich die Flucht durch die offene Türe in das Außengehege.
Christiane und ich beschlossen, uns in dem Zwinger niederzulassen. Wir saßen auf dem Boden und erzählten uns Geschichten. Wir mussten ein komisches Bild bei den Besuchern des Tierheimes hinterlassen haben. Zwei Frauen, leise plaudernd, in einem leeren Hundezwinger sitzend. Das ist ja nicht unbedingt alltäglich.
Aus ihrer Perspektive heraus sahen sie ja auch nicht die Hündin „Cindy“, die im Außengehege unruhig hin und her lief. Sie war gefangen zwischen großer Neugierde und panischer Angst vor den Menschen, während Christiane und ich so saßen, dass wir Cindy den Rücken zu wandten. Eine von uns hatte jedoch immer einen Blick ins Außengehege. So warteten wir ab, was passieren würde.
Vorher hatten wir noch mit ein paar Chowie-Verwöhn-Guddies eine Spur zu uns gelegt.
Wie lange wir so auf dem kalten Boden saßen, kann ich nicht mehr sagen. Irgendwann flüsterte Christiane mir zu: „Sie kommt“.
Vorsichtig, sich immer wieder vergewissernd, dass eine Flucht nach hinten möglich war, kam Cindy ganz langsam. Der Duft der selber gebackenen Omelettstückchen, gespickt mit Wurst, verfehlten ihre Wirkung nicht.
Vorsichtig kam sie durch die Türe in den Innenraum, schnappte sich blitzschnell die Guddies, die am Boden lagen, und trat sofort die Flucht nach außen an.
Wir wurden nicht müde, eine Guddiespur nach der anderen zu legen. Diese führte stets vom Außenplatz der Hündin zu uns, im Inneren des Tierheimes sitzenden Frauen. Nach einer schier endlosen Zeit, in der Cindy immer wieder flüchtete, nachdem sie die Guddiespur aufgesaugt hatte, kam sie und nahm ganz vorsichtig die auf der Hand ausgelegten Guddies. Schwups, schon war sie wieder nach außen geflohen.
Die Besuchszeit im Tierheim war nach zwei Stunden vorbei und wir mussten uns schweren Herzens von den beiden Mädchen trennen. Viel hatten wir nicht erreichen können und Positives konnten wir Rotraut nicht berichten.
Es war in zwei, drei Sätzen abgehandelt.
Im Tierheim sind zwei total überängstliche Chow-Chow-Mädchen, die in all den Jahren nur Schreckliches von Menschen erlebt hatten. Panische Angst vor Menschen und Händen. Ob sie jemals etwas anderes sahen als den Stall, in dem sie all die Jahre verbringen mussten und aus dem sie vom Amtstierarzt befreit wurden, wagten wir zu bezweifeln.
Wir wollten nicht wissen, welche schlimme Dinge diesen Hunden widerfahren waren.
Bei den Chow-Chow in Not wurde Rat über die beiden Mädchen gehalten. Welche Pflegestelle konnte diese komplett verstörten Hunde aufnehmen? Die Tage verrannten und nichts war in Aussicht. Es ist wirklich nicht einfach, erfahrene Hundehalter zu finden, die sich darauf einlassen, solch seelisch misshandelte Hunde für einige Monate zu übernehmen, um ihnen zu zeigen, dass das Leben mit dem Menschen wunderbar ist.
Doch auch dieses Mal konnte Rotraut relativ schnell wunderbare Pflegestellen für Cindy und Chi-Chi, wie wir sie nun nannten, finden. Schon eine Woche später war alles organisiert. Die beiden Chow-Mädchen wurden zusammen abgeholt und über eine gut organisierte Fahrkette auf zwei Pflegestellen gebracht.
Chi-Chi kam zu einer sehr erfahren Chow-Chow Familie, wo schon andere Chowies auf sie warteten, um ihr Geborgenheit und Liebe zu geben.
Cindy kam auf eine Pflegestelle, die schon mehrere Chowies fantastisch physisch und psychisch aufgepäppelt hatte. Das war Cindys Glück, denn Cindy war trächtig, was weder der Amtstierarzt noch das Tierheim bemerkt hatten.
Weiteres folgt ...